Meine Stadt. Meine Stadt?

Immer öfter drängt sich mir die Frage auf: Wer hat eigentlich diese überhitzte, von stetem Baulärm erfüllte, und von Touristenhorden heimgesuchten Baugrube zur «lebenswertesten Stadt der Welt“ gekürt?
Waren es Gremien aus Taubblinden, oder ein betrunkenes Konsortium aus revanchistischen Ischgelianern, oder eine zugekokste Comedytruppe, die selber mal ein bisschen Spass haben wollte, und nicht nur immer andere bespassen?

Vor den Kaffeehäusern Touristenschlangen, die die Tränke von Thomas Bernhard begaffen wollen, und in meinem Stammcafé hat der junge Wirt fast nur noch zu tun, um hereinströmende Horden abzuweisen.

Ich lebe seit 7 Jahren auf einer Baustelle, die abwechselnd und oft auch gleichzeitig vorne, hinten, oben, unten, rechts und links zugange ist, nicht zu reden, von all den Elektrohämmern deren Sound meinen Weg ins Gym orchestrieren. Und dies ist kein Einzelschicksal, wie man vielleicht meinen könnte. Wer hinhört, kann diesen Song vielstimmig hören.

Nichts kommt je zu einem Ende. Weder die Baustellen noch die Hitzewellen (bereits annährend 50 Tropennächte dieses Jahr, und bis auf wenige Ausnahmen 30-36 Grad. Täglich. Seit Mitte Juni.

Nicht zu reden von der Unfreundlichkeit der Einegborenen, auf der ihr ganzer Stolz ruht. Bauschloch-Fressen in den Straßen, und was sich im Gym abspielt, davon mag ich nicht reden, um mir nicht den Vorwurf des Rassismus einzuhandeln.

Also gut, Leute, es ist an der Zeit mich zu beneiden, als Bewohner der lebenswertesten Stadt der Welt.
Sie wird sich vielleicht wieder an ihren Job erinnern, wenn der Winterregen kommt, und es nass , kalt und windig wird, und eine Ahnung zulässt, wie es damals war, als Wien noch so großartig depressiv und dunkel war, und man im Ausland ein mitleidiges Lächeln erntete, wenn man sagte, dass man in Wien lebt.

Aber dieses Lächeln, so schätze ich, wird man bald wieder zu sehen bekommen: In den Gesichtern von Leuten aus Gföhl …