Vermutlich bin ich Geschäftsmann

Nach fast zwanzig publizierten Büchern, fühle ich immer doch diese klamme Unsicherheit, falls ich nach meinem Beruf gefragt werde, Schriftsteller zu sagen. Es hat sich in all den Dekaden nicht das Geringste daran geändert.

Es ist mir immer noch peinlich. Als deklarierte ich mich als Angeber. Oder als Idiot. Oder angeberischer Idiot. Ich mag Leute nicht, die nach dem Beruf fragen. Ich tue es nie. Ganz im Kantschen Sinn: Was du nicht willst, das man dir tu, füg auch keinem anderen zu.

Vielleicht sollte ich mal mit meinem Therapeuten darüber reden. Aber ich habe keinen. Das mag auch daran liegen, dass der mich bestimmt fragen würde, was ich von Beruf bin.

Schriftsteller? Da wusste schon Fauser die richtige Antwort zu platzieren: „Schriftsteller? Was für ein großes Wort. – Ich bin Geschäftsmann.“

Schriftsteller? Sind das nicht die Leute in Lederschuhen und mit Büchern aus Papier in den Händen, in einer Welt, wo alles Sneaker trägt und iphones an den Griffeln?

Das ist etwas, was ich an den Leuten im Gym so schätze: Man kennt sich, man redet hin und wieder, und keiner fragt dich nach dem Namen und niemand nach deinem Beruf.
Dafür bin ich dankbar. Für viele ist es schon weird, dass ich mit einem 700 Seiten Buch auf dem Ergometer sitze, wo doch alle Welt Kopfhörer trägt und Tiktok-Filmchen anstarrt.

Schriftsteller? Wolf Wondratschek hat, meines Wissens, ein dickes Buch geschrieben, dass nur in einem einzigen Ex. manifest ist. Eine Auftragsarbeit. Und er ist der einzige bekannte Autor dem ich glaube, dass er auch schreiben würde, wenn er nicht gelesen würde. Im Gegensatz zu jenen vielen berühmten Kehlmanns, die das auch immer wieder mal behaupten.

Ich glaub ihnen kein Wort.

Schriftsteller? Ich nehme meine Arbeit (wenn man das Schreiben denn als solche bezeichnen möchte) ernst. Aber das Resultat betrachte ich distanziert und meist mit Ironie, wissend, dass es nicht so gut ist, wie ich dachte, dass es werden würde.
Wenn ich dann aber doch hin und wieder eine Stelle entdecke, die mir wie wirkliche Prosa erscheint, freue ich mich.

Für einige mag Hemingsway Diktum gelten: Es gibt nichts zu schreiben. Alles, was Sie tun, ist, sich an eine Schreibmaschine zu setzen und zu bluten.

Für mich gilt der erste Satz, aber der zweite nicht. Ich ersetze ihn durch diesen: Versuchen Sie so viel wie möglich, mit all Ihrer Kraft ganz am Leben zu sein, und wenn Sie lachen, lachen Sie wie die Hölle. Und wenn du wütend wirst, werde gut und wütend. Versuchen Sie, am Leben zu sein. Du wirst bald genug tot sein.

Ich bin Geschäftsmann. Kein sehr erfolgreicher, aber doch einer.
Frag eingfach nicht …