Ein Dichterleben. – Friedrich Hahn.



Wieder einmal in der Porzellangasse, d. h. in diesem Grätzel, unterwegs zur Buchpräsentation von Friedrich Hahns „Ein Dichterleben“.
Es ist kurz vor sieben, es ist warm (für mich ist es heiß), die Restaurants sind innen und außen gefüllt. In den Schanigärten sitzen vor allem junge Frauen. Sie sehen, mit ihren hartglatten Engelsgesichtern aus wie Schwestern von Lena Schilling und Luisa Neubauer. Und als ausgewiesene Individualistinnen tragen alle Sneakers an den Füßen und Handys an den Händen.

Im „Ährlich“, einem hellen MIni-Café trägt man – old school-mäßig – noch Schuhe. Wie konventionell ist das denn! Auf den Tischen keine Phones. Wo bin ich hier? Auf einer Zeitreise?
Gewissermaßen.
Friedrich Hahn hat sich mittig plaziert, begrüßt alle Eintretenden persönlich. Es sind nicht ganz zwanzig an der Zahl. Und sie sind, wie Hahn selber, Schuhträger, also schon fast nicht mehr dieser Welt zugehörig. Achtung –Bullshit!

Ein Dichterleben. Was soll das sein? Blaise Cendrars war ein Dichter, Francois Villon, Rilke, Verlaine und Rimbaud, Bert Brecht, Else Lasker Schüler, Gottfried Benn und Patti Smith. Und natürlich: Friedrich Hahn. Was, frage ich, wäre unter den Genannten das Gemeinsame? Außer dass sie alle Schuhe und keine Sneaker trugen? Und alle Gedichte schrieben, Bücher publizierten, mit sehr unterschiedlichem Erfolg, sehr unterschiedlicher Resonanz und ebenso unerschiedlich eingefahrener Anerkennung?

Und hier sind wir bereits beim ersten Thema von Hahn: Die Anerkennung. Die mangelnde Aufmerksamkeit für seine vielen, vielen veröffentlichten Bücher, und der Mühsal trotz Reputation und Belobigung einen Verlag für seine neuesten Arbeiten zu finden. Dies sei keine Klage, betont er. Aber, finde ich, da darf der Dichter ruhig klagen. Der Klempner jammert auch, wenn er keine Aufträge kriegt. Also warum nicht die Dichter?

Die Vorstellung seiner selbst, liest er vom Blatt. Es sind die Titel seiner Bücher. Es dauert ganz schön lange.

Hahn liest ruhig, klar und gut. Es sind Texte eines Dichters, der, wie es den Anschein macht, kaum etwas anderes zu tun hat, als zu dichten, zu schreiben und zu lesen. So sind es auch Texte über andere Autoren. Knausgard, zum Beispiel. Bücher entstehen aus Büchern. Das mag hier besonders zutreffen. Vielleicht die beste Story, zumindest die berührendste, ist jene, in der Hahn einen Bekannten porträtiert, einen Trinker und Verzweifelten, der (nach einem Training an der Waffe) Suizid begeht.

Oder die Stelle hier. Vielleicht die Schlüsselsätze::

«Abgründe, wohin man schaut, wohin man tritt. Klar…-man kann dagegen mit eigenen Geschichten anschreiben, über sie hinwegschreiben. Doch was nützt es? Abgrund bleibt Abgrund. Aber immerhin ist er mit der eigenen Geschichte dann auch der eigene Abgrund. So gesehen gehört es zum Schwierigsten und zugleich Gefährlichsten, Schriftsteller zu sein. Aber noch schwieriger und gefährlicher ist es -zumindest für mich- keiner zu sein.»

Ja klar, das Alter, die Krankeit(en), der Tod. Wie auch nicht. Wir tragen Schuhe. Und Hahns Querenzia ist, so paradox e erscheinen mag, sein „welkes Bein“, das ihn von weiteren Zumutungen und Unbillen der Existenz irgendwie beschützt.

Des Dichters Lesetiming ist geradezu exellent. Alle waren gut unterhalten, und als es ans Bücher kaufen ging, hielten sich die Schuhträger nicht zurück. Da dürfte es keine Klagen geben.

Als ich wieder durch das Grätzel spazierte, um einen D-Wagen zu kriegen, machte es mir nichts aus, nicht mehr jung zu sein. Im Gegenteil.
Ein Dichterleben? Viele Dichterleben. Viele unterschiedliche Dichterleben. Was ist die Gemeinsamkeit?

Wie sagte der namenlose Autor im Roman „Alte Schule -Blumberg 3“ im Gespräch mit einem Musiker:
„Zwei Leser in zwei Tagen, das war schon bemerkenswert. Mit einem dritten würde ich vermutlich Beute des Größenwahns.“
„Sind sind aber ziemlich selbstkritisch …“
„Wie man’s nimmt. Ohne Selbstironie ist der Job nicht auszuhalten. – Wie steht’s bei Ihnen?»

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